Die alten Friesen
Die Friesen besiedelten etwa 500 v. Chr. den fruchtbaren Boden an der Nordseeküste. Sie kamen wahrscheinlich aus dem südlichen Skandinavien. Das heutige West-Friesland (Provinz Nord-Holland), die Provinz Fryslân, die Provinz Groningen und die Emsmündung waren die ältesten friesischen Stammesgebiete.
Die Existenz der Chauken zwischen Ems und Elbe wurde durch römische Quellen überliefert. Die Römer konnten das heutige friesische Gebiet nicht dauerhaft besetzen. Schon in den Jahren von 28 bis 47 n.Chr. lehnten sich die Friesen gegen die Ausbeutung durch die Römer auf. Nach der römischen Zeit zogen die Angeln und die Sachsen über die Nordseeküste nach England. Dies hatte wahrscheinlich großen Einfluss auf die damaligen friesischen Einwohner.
Die Chauken zwischen Ems und Elbe gingen während der Völkerwanderung in die friesischen Stämme auf. Nach 500 n.Chr. bildeten die Friesen nicht nur einen Stamm, sondern eine Nation mit einem König (am besten zu vergleichen mit dem englischen High King). Das friesische Siedlungsgebiet breitete sich aus bis nach Brügge im Süden, im Osten grenzte das Siedlungsgebiet an die Weser. Im Norden wurde die Küste bis nach Dänemark von den Friesen kolonisiert.
Die Friesen waren schon immer ein sehr unabhängiges Volk und der Glaube an ihre Götter war tief in ihrer Kultur verwurzelt. Sie waren familiär eng mit den Nordmannen aus Norwegen, Schweden, Dänemark und Jütland verbunden und waren wie sie Gegner des Christentums. Die Friesen trieben regen Handel und verfügten daher über Waren, die es so im Land nicht gab.
Radbod, der König der Friesen, herrschte von 679 – 719 über das großfriesische Reich, der „Magna Frisia“ und war ein vehementer Gegner des Christentums und somit auch der Franken. Er wusste, dass die Friesen nicht nur missioniert sondern unterworfen werden sollten. Die Franken wollten den Zugang zum Meer.
Erst 15 Jahre nach Radbods Tod erlitten die Friesen eine Niederlage, wurden von den Franken unterworfen und die Kirche fasste Fuß. Da die Friesen aber trotzdem an ihren Glauben festhielten, erließ Karl der Große im Jahr 785 ein Gesetz, die „Capitulatio de partibus Saxoniae“. Dieses Gesetz ging mit unvorstellbarer Härte und Brutalität gegen die Friesen vor. Wer sich nicht taufen ließ, wurde getötet; wer heidnische Bräuche beobachtete und es nicht zur Anzeige brachte, wurde deportiert. Die heiligen Haine und alle Heiligtümer wurden zerstört und an diesen Plätzen wurden die ersten Holzkirchen erbaut – aus dem Holz der heiligen Bäume.
![hellblau: Reisewege der Nordmannen, hellgrün: Hauptsiedlungsgebiete, im ersten Jahrtausend (Foto: By en:User:Bogdangiusca [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons)](http://werft.diefriesen.eu/wp-content/uploads/2016/10/Vikings-Voyages.jpg)
(Foto: By en:User:Bogdangiusca [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons)
Nach diesen brutalen Übergriffen begann der Rachefeldzug der Wikinger, um in erster Linie ihre Religion zu verteidigen. Sie waren kein einheitliches Volk, sondern bestanden aus verschiedenen Völkern aus dem skandinavischen Raum, aus dem heutigen Schweden, Norwegen, Dänemark und auch aus Friesland. Sie eroberten jetzt rücksichtslos die Klöster und Kirchen, die ja auf ihren Heiligtümern errichtet waren.
Die meisten Chroniken aus dieser Zeit wurden aber in Klöstern geschrieben und somit übermittelten die Mönche schriftlich ein schreckliches Bild von den plündernden und mordenden Heiden. Dieses Bild hält sich bis in die heutige Zeit. Der Sieger schreibt die Geschichte.
Im 12. und 13. Jahrhundert hatten sich die Friesen in autonomen genossenschaftlichen Landesgemeinden organisiert und jedes Jahr wurde ein „Redjeve“, ein Richter, gewählt, der die Interessen der Gemeinden vertrat.
Durch Sturmfluten, Seuchen und Hungersnöten ging bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts diese öffentliche Ordnung verloren und es begann die Zeit der Häuptlinge, die sich bis zum Ende des 14. Jahrhunderts gegenseitig bekämpften.
Die genossenschaftliche Idee blieb dabei auf der Strecke und bei den Bauern wuchs im 15. Jahrhundert der Widerstand gegen die Häuptlinge.
Im Jahr 1464 beendete Kaiser Friedrich III. die Häuptlingsherrschaft, indem er Ulrich Cirksena in den Stand eines Reichsgrafen erhob. Damit ging die Zeit der internen Kriege zu Ende.
Weitere Informationen:
Wikipedia: Magna Frisia (Englisch)
Wikipedia: König Radbod von Friesland
Wikipedia: Friesen
Arminiusforschung: Capitulatio de partibus Saxoniae (PDF)
Der Theologe: Karl der Große
Genealogy.net: Radbod
Friesische Freiheit
Das große Friesland, „Magna Frisia“, war ein Heidenstaat. Die christlichen Franken versuchten, es zu unterwerfen und zu „christianisieren“. Das Eine hatte direkt mit dem Anderen zu tun.
Im Laufe des 8. Jahrhunderts wurde Friesland ein Teil des Frankenreiches und zumindest nach außen hin christlich. Es blieb eine Einheit, auch wenn der friesische Süden in dieser Zeit verloren ging (die späteren Küstenprovinzen Nord- und Süd-Holland sowie Seeland).
Das Saterland wurde zwischen 1100 und 1400 von Friesen besiedelt.
Aber West-Friesland, die heutige Provinz Fryslân, das Groningerland und Ostfriesland konnten ihre Selbstständigkeit nach der Wikingerzeit ausbauen. Friesland war schon eine Handelsnation, bevor die Hanse von sich hören ließ.
Danach schrumpfte Friesland und wurde vom Meer, Wasser und Moor geschützt gegen den Feudalismus, der überall sonst in Europa die Gesellschaften im späten Mittelalter geprägt haben.
Friesland bestand aus kleinen Landgemeinden, die aus freien Bauern und Adeligen bestanden. Der Adel konnte zu dieser Zeit keine Macht über Friesland ausüben. Nur wenige Städte konnten sich in dieser landwirtschaftlichen Gemeinschaft entwickeln. Die meisten Dörfer blieben Handelsorte für Landprodukte und Vieh. Friesland war so die einzige Demokratie im Mittelalter, denn überall sonst in Europa regierte der Adel in Feudalherrschaft.
Doch die Zeit war nicht reif für so eine Art Demokratie. Die Friesische Freiheit wurde von innen und außen bedroht und die Friesen verloren im späten Mittelalter ihre Unabhängigkeit.
Weitere Informationen:
Wikipedia: Friesische Freiheit
Tresoar (Institut für friesische Geschichte und Literatur)
Der Upstalsboom – Zeichen für die „Friesische Freiheit“
Das Gelände des Upstalsbooms in Aurich / Rahe wurde nachweisbar seit dem 8. Jahrhundert von unseren Vorfahren genutzt, wie archäologische Untersuchungen ergeben haben.
Schon zu Beginn des 9. Jahrhunderts trafen sich hier die Vertreter (Redjeven) der verschiedenen friesischen Sippen, die entlang der Nordseeküste wohnten. Die jeweils für ein Jahr gewählten Redjeven, kamen am Dienstag nach Pfingsten hier zusammen, um ihre Angelegenheiten zu regeln. Die Treffen fanden immer an einem Dienstag statt, weil das der Tag des Gottes Thyr ist, der Gott der Rechtsprechung. An diesem Thingplatz (Versammlungsort) wurde Recht gesprochen und gegebenenfalls auch Maßnahmen beschlossen, um Gefahren und Bedrohungen durch das Meer oder durch Feinde abzuwehren. Die Rechtsordnung der ‚Friesischen Freiheit‘ war die Grundlage der Beratungen.
Ein englischer Mönch äußerte im Jahr 1240 über die Friesen folgendes: „Der Stamm ist nach außen frei, keinem anderen Herrn unterworfen. Für die Freiheit gehen sie in den Tod und wählen lieber den Tod, als dass sie sich mit dem Joch der Knechtschaft belasten ließen. Daher haben sie die militärischen Würden abgeschafft und dulden nicht, dass einige unter ihnen sich mit einem militärischen Rang hervorheben. Sie unterstehen jedoch Richtern, die sie jährlich aus der Mitte wählen, die das Staatswesen unter ihnen ordnen und regeln …“.
Aus dem Emsiger Recht, um 1300: „Dies sind die Überküren aller Friesen. Erstens, dass sie einmal im Jahre am Dienstag in der Pfingstwoche zu Upstalsbom zusammenkämen und dass man dort alle Rechte bespräche, die die Friesen halten sollten. Wenn irgendjemand ein besseres (Recht) wüsste, sollte man das weniger richtige aufgeben und das bessere befolgen.“
Urkundlich belegt sind Treffen am Upstalsboom zwischen 1216 und 1323. Bis zum Jahr 1323 herrschte in den ganzen Frieslanden noch eine Art von Demokratie, keine Feudalgesellschaft, alle waren einigermaßen gleich und frei. Dann kam die verheerende Pestepidemie, der ‚Schwarze Tod‘, viele Menschen starben. Dazu kamen die großen Sturmfluten. Die Menschen kämpften um ihr Leben und um ihre Existenz.
Diese Notlage nutzten die Bischöfe aus, um ihr Herrschaftssystem gegen den Willen und der Überzeugung der Friesen einzuführen. Es entstand als sichtbares Zeichen im Jahr 1324 das Upstalsboom-Siegel, ein Siegel nach Motiven des Zisterzienser-Ordens aus Ihlow. Ebenfalls wurde von Mönchen das Upstalsboom-Gesetz neu geschrieben. Damit war die ‚Friesische Freiheit‘ beendet und es begann die blutige Zeit der Häuptlinge.
Der Upstalsboom geriet bis zum Jahr 1815 mehr oder weniger in Vergessenheit. Als Napoleon durch die Befreiungskriege und letztendlich in der Schlacht bei Waterloo besiegt wurde, wollte ein Auricher Architekt, Conrad Meyer, ein Kriegerdenkmal in Form eines Obelisken am Upstalsboom bauen. Es sollte ein Denkmal sein für die in diesem Krieg gestorbenen Ostfriesen. Da er kein Geld dafür hatte, startete er eine Flugblatt-Aktion, um Gelder zu sammeln. Die Ostfriesen hatten aber kein Interesse daran und so scheiterte sein Vorhaben.

Nachdem die Ostfriesische Landschaft das Gelände am Upstalsboom erworben hatte, wurde von ihr im Jahr 1833 dieses Kriegerdenkmal in Form einer Pyramide gebaut – für die im Krieg gegen Napoleon getöteten Ostfriesen.
Erst im Jahre 1894 ließ die Ostfriesische Landschaft schließlich eine Granittafel an der Pyramide anbringen. Sie trägt die Inschrift:
„Auf der Versammlungsstätte ihrer Vorfahren, dem Upstalsboom, errichtet von den Ständen Ostfrieslands im Jahre 1833.“

Bei den Ausgrabungsarbeiten zu dem Fundament der Pyramide, wurde eine Urne gefunden und ein Damaszener-Schwert aus dem 8. Jahrhundert, ebenso eine Millefiori-Glasperle aus Ägypten. Diese Funde belegen, dass die Friesen weltweite Handelsbeziehungen hatten und dass der Upstalsboom schon im 8. Jahrhundert eine Thingstätte war.


Trotz dieser bemerkendwerten Funde blieb das Gelände am Upstalsboom lange unangetastet. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Areal mit Zustimmung der Ostfriesischen Landschaft für Feierstunden und Aufmärsche genutzt. Der Landschaftsrat der ostfriesischen Landschaft, Dr. Louis Hahn, wollte das Gelände des Upstalsboom nach dem Vorbild anderer nationalsozialistischer Thingstätten missbrauchen und umgestalten. Dieser Gedanke wurde aber zum Glück nie in die Tat umgesetzt.
Im Jahr 1990 begann die Ostfriesische Landschaft mit der Untersuchung des Upstalsboom-Hügels. Nach dem Damaszener-Schwert und diverser Glasperlen von 1833, wurden jetzt eine eiserne Schnalle, unterschiedliche Messer, Leichenbrandreste und Tongefäßscherben gefunden. Es handelt sich demnach um eine Grabstätte von wahrscheinlich zwei Frauen und einem Mann, die mit reichen Grabbeigaben bestattet wurden. Das lässt den Schluss zu, dass es sich hier um sozial sehr angesehene Personen handelt.
Im Jahr 2003 wurden weitere Grabungen unternommen. Man war der Meinung, dass es in unmittelbarer Nähe Reste eines Hofes geben muss, wo die Bestatteten gelebt hatten. Alles was man fand, waren weitere Grabbeigaben.
Die Archäologen der Ostfriesischen Landschaft konnten sich nicht erklären, warum an einem Grabhügel die Treffen der Friesen stattfanden. Sie hätten gut daran getan, sich ein wenig mit dem Glauben der Menschen im 8. Jahrhundert auseinander zu setzen. Weise und bedeutende Menschen wurden immer in der Nähe eines Thingplatzes bestattet, damit man sie zur Rechtsprechung mit Hilfe der Seherinnen und Seher hinzuziehen konnte. Somit waren die Ahnen wichtiger Bestandteil eines Things. Da die Funde alle aus dem 8. Jahrhundert stammen, bedeutet es, dass dieser Thingplatz mindestens auch schon im 8. Jahrhundert existent war.
Seit dem Jahr 2004 lädt das Friesische Forum alljährlich wieder alle Friesen der sieben Seelande am Dienstag nach Pfingsten zu einem Treffen am Upstalsboom, dem Thingplatz unserer Vorfahren, ein.
Bei dieser Veranstaltung soll nicht nur der geschichtlichen Ereignisse gedacht werden, sondern auch welche Bedeutung die Tradition der Friesischen Freiheit für das heutige Zusammenleben hat.
Unter fremder Herrschaft
Im 15. Jahrhundert bildete sich die Grafschaft Ostfriesland und die Herrschaft Jever. Ostfriesland behielt seine Eigenständigkeit bis 1744, dann wurde es eine preußische Provinz. Alle Teile des früheren friesischen Gaus Rüstringen (südlicher Teil Friesland, nördlicher Teil Wesermarsch) kamen im 15. und 16. Jahrhundert zum Oldenburger Land. Die Herrschaft Jever wurde Ende des 16. Jahrhunderts mit der Grafschaft Oldenburg verbunden.
Zunächst wurden Ostfriesland und das Jeverland im Jahr 1808 unter der Regentschaft von Napoleons Bruder Louis Bonaparte in das Königreich Holland als Departement Oost-Friesland eingegliedert. Nach der Abdankung Louis Bonaparte 1810 wurde das Königreich Holland aufgelöst und vollständig von Frankreich annektiert. Die französische Herrschaft endete im November 1813. Ostfriesland kam wieder zu Preußen.
Im Jahr 1866 verlor das Königreich Hannover seine Unabhängigkeit, wurde von Preußen annektiert und zur Provinz Hannover. Ostfriesland war nun Teil der preußischen Provinz Hannover.
1946 wurde der erste niedersächsische Landtag von der britischen Besatzungsverwaltung eingesetzt. Alle ostfriesischen Regionen gehörten nun dem neuen Bundesland Niedersachsen an. Die Regierungsbezirke Aurich, Oldenburg und Stade waren verantwortlich für die ostfriesischen Verwaltungseinheiten.
Diese politische Ebene wurde 1978 aufgelöst. Mit der Entfernung zur ‚nächsten politischen Ebene‘ war die Politik noch weiter entfernt vom Bürger als jemals zuvor.
Weitere Informationen:
Rhaude.de: Ostfriesland zur Zeit Napoleons